Jennifer Zantopp, Musiktherapie
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Teambuilding mit Musik

...oder die Frage, wie man erreichen kann, dass ein Team einen höheren IQ haben kann als die einzelnen Individuen der Gruppe.

Einleitung

Der Ausdruck Teamarbeit ist in den letzten Jahren zu einer Art Zauberwort geworden. In den Schulen sollen Schüler durch eigenständiges Arbeiten in Gruppen soziale Fähigkeiten erwerben und problemlösendes, gemeinsames Nachdenken erlernen. Viele Betriebe haben Umstruckturierungsmaßnahmen vorgenommen und neue Gruppen von Menschen zusammengestellt, die als Team für eine bestimmte Aufgabe zuständig sind.
Immer mehr im Kommen ist auch das Arbeiten und Denken in Projekten. So kann es geschehen, dass man sich auf einmal auf das Arbeiten in einer Gruppe einstellen muss und möglicherweise auch auf immer wechselnde Teams.
Leider ist das nicht immer so einfach und harmonisch wie das Wort Team suggeriert. Oft kommt es zu Streitigkeiten und Ellen langen Diskussionen, die nicht mehr so viel mit dem eigentlichen Thema zu tun haben. Kurzum: Mehr Frust als Lust am Team.
Ganz davon abgesehen, dass die Effektivität nicht gerade gesteiget wird.
Warum es so schwer ist als Team zusammen zu arbeiten, lässt sich schnell begründen: Zum Ersten hat man sich die Menschen in seinem Team nicht selbst ausgesucht, zum Zweiten erfordert Zusammenarbeit ein hohes Maß an sozialen Kompetenzen und eine gut funktionierende Kommunikation.
Die Frage, wie man mit diesen Problemen umgeht, oder noch besser sie beseitigt, ist etwas schwerer zu beantworten.
Dieser Text beschäftigt sich mit den Hintergründen und bietet einen möglichen Lösungsweg, nämlich "Teambuilding mit Hilfe von Musik" an.
Zunächst eine Betrachtung des Phänomens "Gruppe".

Gruppe(n)-Dynamik

Eine Gruppe ist (nach einer Definition von Homans und Bales) ein System von miteinander in Interaktion befindlichen Individuen.
Das kann man sich vorstellen wie in einem elektromagnetischen Feld. Einige Teilchen stoßen einander ab, andere ziehen sich an. Verändert man die Position eines Teilchens, muss sich die Position der anderen Teilchen auch verändern. Ein Gleichgewicht entsteht durch das gegenseitige beeinflussen der Teilchen.
Bei einer Gruppe von Menschen ist das Ganze noch etwas komplizierter, weil nicht alle Prozesse die in der Interaktion der Individuen ablaufen, so einfach sichtbar sind wie in einem elektromagnetischen Feld.
Jede Gruppe hat zwei Ebenen von Systemen.
Das "externe System", ist die Struktur, die nach außen hin sichtbar ist. Meistens ist sie an die Aufgabe einer Gruppe gekoppelt. Diese Struktur wird vom Arbeitgeber, oder vom Projekt vorgegeben. Was wird getan?
Wie etwas getan wird, entscheidet sich über das "interne System" einer Gruppe. Hierbei dreht sich alles um die Frage, wie und von wem etwas getan wird. Dabei spielen oft unbewußte Prozesse eine Rolle. Wenn zum Beispiel ein Mitglied, was auf Grund seiner Erscheinung oder Umgangsart wenig attraktiv ist, einen guten Vorschlag (Lösung für ein Problem) macht, wird dieser unter Umständen weniger schnell, oder gar nicht angenommen, als wenn der gleiche Vorschlag von einem attraktiven Mitglied kommt.
Innerhalb einer Gruppe gibt es verschiedene Rollen, die meist unbewußt von einer Person angenommen werden und eine bestimmte Funktion für die Gruppe haben, aber nicht immer die Produktivität fördern.
So gibt es in jedem Team einen aufgabengerichteten Leiter und einen affektiven Leiter. Also eine Person, die sich um die Aufgabe kümmert und den Arbeitsprozess voran treibt, und eine andere Person, die für die Harmonie der Beziehungen untereinander sorgt. Arbeiten diese beiden Leiter nicht Hand in Hand, kann es nicht zu einer effetiven Zusammenarbeit kommen. Des Weiteren wird man auch immer einen "Clown" einen "Schweiger" sowie einen "Ja-Sager" und einen "Nein-Sager" in jeder Gruppe finden. Wenn Personen in eine andere Richtung arbeiten, weil sie persönlich andere Ziele verfolgen, als das für das Team sinnvoll ist, kommt es zu unausgesprochenen Machtstreitigkeiten.
Eine Gruppe hat also eine gewisse Eigendynamik.
Setzt man Menschen neu zusammen, durchlaufen sie verschiedene Phasen der Entwicklung miteinander.
In der "Orientierungsphase" wird zunächst geklärt, welche Aktivitäten stattfinden, welche Methodik gehandhabt wird, wer welche Rolle bekommen soll; kurzum die "externe Struktur" wird geklärt.
In der nächsten Phase ("Machtphase") werden die sozial-emotionellen Beziehungen untereinander deutlicher. Meist geschieht das auf Grund von Gefühlen, weniger auf praktischen Absprachen. Diese Beziehungen werden in der "Affektphase" deutlicher. Es wird geklärt welche Distanz bzw. Nähe zugelassen wird, wieviel Vertrauen und Intimität zu den einzelnen Mitgliedern besteht. Wenn diese Phasen gut und erfolgreich durchlaufen sind - alle Beziehungen also geklärt sind, kann eine Gruppe entstehen, die keinerlei äußerlicher Struktur bedarf, sondern diese selbst regelt.
Diese "autonome Gruppe" kennzeichnet sich durch ein gutes Gruppenklima und hochgradige Akzeptanz jedes einzelnen Mitgliedes.
Solche Gruppen sind selten! Nicht immer werden die Aspekte des "internen Systems" geklärt, dann bleibt ein Gefühl für eine "komische Stimmung" und viel Probleme in der Zusammenarbeit.

Sehen wir uns einmal an, was die Kennzeichen eines effektiven Teams sind, und wie diese sich erreichen lassen könnten.

Der Weg zu einem effektiven Team

Als Kennzeichen eines effectiven Teams haben Reilly und Jones (1974) folgende Merkmale beschrieben:

  • externe Struktur:
    • Deutlich Zielsetzung, Aufgabendefinition und Planung der Handlungen.
    • Ebenso die ständige Verständigung über das Funktionieren des Teams.
    • Anerkennung und sinnvoller Einsatz der professionellen Fähigkeiten.

  • interne Struktur:
    • Alle Beziehungen der Teilnehmer sind geklärt.
    • Es herrscht eine offenen Kommunikation, in der Konflikte poitiv benutzt werden können.
    • Alle Mitglieder arbeiten an einem gemeinsamen Ziel und können ihre Meinung frei äußern.
    • Anerkennung der persönlichen Qualitäten.

In dieser "Idealstruktur" ist es möglich, dass jedes Mitglied persönlich, als auch die Gruppe als Ganzes, eine Entwicklung durchlaufen kann.
Reilly und Jones haben auch darüber nachgedacht, welche Schritte notwendig sind, um ein gutes Team zu entwickeln - denn leider geht das nicht so einfach, wie sich die Vorgesetzten das ausgedacht haben. Ein wichtiger Aspekt ihrer Theorie besteht daraus, dass Gruppenrozesse wahrgenommen und bewußt gemacht werden sollten, und dass die Fähigkeit darüber zu kommunizieren gegeben sein sollte. Theoretisch können diese Bedingungen geübt werden.
Im Einzelnen nennen sie folgende Punkte:

  • ein Verständnis der Rollen innerhalb des Teams
  • die Kommunikation untereinander verbessern
  • Übung im Umgang mit Konflikten
  • Einsicht in den Gruppenprozess bekommen
  • Wahrnehmen der Beziehungen der einzelnen Mitglieder untereinander
  • Ein Üben der Zusammenarbeit
  • und das Aufdecken von persönlichen Zielen, die nicht mit dem Gruppenziel übereinstimmen

Um diese Zwischenschritte erreichen zu können, ist ein Gruppentraining sinnvoll.
Ein Training sollte nicht mit Therapie verwechselt werden, auch wenn es darum geht Einsicht in sein eigenes Verhalten und das des Anderen zu bekommen. In dieser Lernsituation ist natürlich auch ein Ziel das persönliche Verhalten der Teilnehmer zu ändern, jedoch nur da, wo es den Gruppenprozess bisher gehindert hat.
Meiner Meinung nach sollte so ein Training folgende Elemente enthalten:

  • das Geben und Bekommen von Feedback
  • das Bewußtwerden von Rollen/Funktionen innerhalb der Gruppe
  • eine persönliche Analyse jedes Einzelnen über Stärken und Schwächen (persönlich und professionell)
  • Schulung der Wahrnemung für Prozesse, die innerhalb des "internen Systems" ablaufen
  • Training im Umgang mit Konflikten
  • Wahrnehmung für die eigene Kommunikation und ein Training der Kommunikation
  • Übungen, um das Vertrauen der Mitglieder untereinander zu verbessern.

Je nachdem wo die Schwierigkeiten eines Teams liegen, sollte der Schwerpunkt gesetzt werden. Ich bin der Ansicht, dass Musik (das aktive Musik machen in der Gruppe) ein sehr geeignetes Mittel ist, um eine schnelle Verbesserung der Teamfähigkeiten herbei zu führen.
Der nächste Abschnitt befaßt sich mit einer näheren Erklärung, wie dies möglich ist.

Musik als Spiegelbild des "internen Systems"

Musik, wenn sie frei improvisiert wird (also nicht von zuvor notierten Noten abgespielt wird), unterliegt dem "Analogieprinzip". Das bedeutet, dass Verhalten, was alltäglich gezeigt wird, sich auch im musikalischen Verhalten wiederholt.
Jemand der im täglichen Leben eher schüchtern und zurückhaltend ist, wird in der Gruppenimprovisation warscheinlich auch eher leise Töne von sich geben und im Hintergrund des Geschehens bleiben. Dahingegen wird jemand der normalerweise gerne eine leitende Funktion übernimmt, schnell zur großen Trommel greifen.
Das ist natürlich zu simplistisch dargestellt. Es kann auch andere Gründe geben, warum jemand eine große Trommel wählt. Das sollte im Gespräch geklärt werden.
Wie kommt es, dass Musik diese "Spiegelfunktion" hat?
Darüber gibt es verschiedene Theorien. Eine Theorie besagt, dass Musik eine Ausdrucksform des Unbewußten ist, und so Verhalten zeigen kann, dass demjenigen nicht bewußt ist.
Eine mir viel logischer erscheinend Theorie besagt, dass Musizieren eine Art der Interaktion ist. Interaktion findet im alltäglichen Umgang miteinander meist auf verbaler Ebene statt. In Wirklichkeit übermitteln wir aber nur einen geringen Teil unserer Botschaften wirklich mit Worten. Ein großer Teil der Kommunikation verläuft non-verbal. Z.B. über den Stimmklang, die Körperhaltung, die Schelligkeit und Ladung der Mitteilung und noch allerlei anderer Aspekte, deren wir uns nicht bewußt sind. Genau diese Informationen sind es aber, die uns jemanden sympathisch oder unsympathisch erscheinen lassen und uns die Zusammenarbeit erschweren oder erleichtern.
Während wir im täglichen Leben meist nicht genau nachforschen, wo das Problem liegt, oder in endlosen Diskussionen und Schuldzuweisungen enden, wird in der improvisierten Musik für jeden Teilnehmer hörbar was passiert.
Das hat den Vorteil, dass das "Hörbar Gemachte" aufgenommen und objektiviert werden kann. Es ist für die meisten Menschen auch einfacher über "die Musik" zu reden, als über "Du tust immer..." Natürlich ist es wichtig, von der Musik auf das tägliche Leben zu blicken. Wo sind Gemeinsamkeiten? Wo sind Unterschiede? Durch solche Betrachtungen, kann man sich des internen Systems des Teams bewußt werden.
Nachdem Handlungsstrukturen bewußt sind, können sie auch geändert werden. Ein spielerisches Training ermöglicht, dass neues Verhalten gefahrlos zunächst im Spiel geübt werden kann.

An dieser Stelle folgen demnächst praktische Beispielen aus Trainingen!